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Selbstexperiment

Ein Jahr lang Konsumverhalten zügeln

Ein Selbstversuch

Ein Jahr lang keine Klamotten kaufen

Ich gebe es zu: Ich habe mich durch einen anderen Blog-Beitrag zu diesem Experiment hinreißen lassen. Als ehemals Kaufsüchtige dachte ich mir: ein Jahr lang keine Klamotten und keinen neuen Schmuck kaufen? Da mach ich auf jeden Fall mit! Was ich in diesem Jahr erlebt habe, habe ich am Ende jedes Monats in wenigen Worten zusammengefasst …

Januar

Gleich in der ersten Woche treffe ich mich mit Freundinnen in der Kölner Innenstadt. Schöne Kleider anzusehen, ohne etwas zu kaufen, das fällt mir leicht – noch zumindest! Aber: Ich habe es ernsthaft geschafft alle (!) meine Haargummis zu verlegen. Jetzt kann ich mir ein Jahr lang keinen Zopf mehr binden: Weder auf der Arbeit, noch beim Training und auch nicht nach dem Duschen! Frauen mit langen Haaren verstehen mein Problem …

Februar

Eine Freundin schenkt mir aus Mitleid einen Haufen Haargummis. Gott sei Dank! Die müssten bis zu Ende des Jahres ausreichen. An einem Shopping-Entzug leide ich immer noch nicht.

März

In einer Kölner Kirchengemeinde findet ein Kleidertausch statt. Man mistet aus und kleidet sich gleichzeitig kostenlos neu mit den Klamotten anderer ein. Dabei steht der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund. Verstößt die Teilnahme gegen die Regeln meines Experiments? Ich denke nicht. Übrigens: Die Frau eines Freundes schenkt mir einen schwarzen Übergangsmantel. Sie weiß nichts von meinem Selbstversuch.

April

Bin einfach zu busy, um in Versuchung zu kommen.

Mai

Bad News: Meine einzige Sporttasche ist gerissen. Ich versuche sie weiterhin zu nutzen, indem ich sie beim Tragen fest mit meinen Armen umklammere. Lächerlich – ich weiß. Besonders im Gedränge am Kölner Hauptbahnhof muss ich schwer aufpassen, dass nichts rausfällt und ich nicht beklaut werde. Good News: Meine Mutter schenkt mir am Muttertag(!) eine Tüte voll mit Secondhand-Klamotten. Ich genieße es, die neue alte Kleidung in meinen sowieso schon überfüllten Kleiderschrank hineinzustopfen.

Juni

Nach einer Hitzewelle fallen die Temperaturen plötzlich ab und ich laufe mit einer dicken Erkältung und drei Paar dicken Socken in der Wohnung herum. Meine Füße sind trotzdem eiskalt und ich finde meine Hausschuhe nicht. Wie viele Socken werde ich mir denn bitteschön im Winter übereinander anziehen müssen, um nicht zu erfrieren?

Juli

Ich bin für acht Tage dienstlich auf einem Campingplatz an der Nordsee. Einige Dinge verschwinden aus dem Wohnwagen, u.a. meine Socken. Ich habe nur noch dreckige Paare und ohne Socken wird es in den kühlen Nächten dann doch schon unangenehm. Obwohl die Versuchung groß ist, kaufe ich mir keinen Ersatz. Ich friere mutig weiter. Übrigens: Zu Hause sind meine Hausschuhe wieder aufgetaucht.

August

Ich leite eine 14-tägige Camp-Freizeit auf Korsika. Meine Flipflops gehen beim ersten Anziehen kaputt. Drei weitere Paar Schuhe sind nach der Freizeit nicht mehr zu gebrauchen. Ich habe zwar immer noch über 40 Paare, merke aber, dass die, die ich besonders mag, nach und nach weniger werden. Wieder zu Hause wird trotzdem ausgemistet: Unser Umzug steht an und ich muss dringend paar Klamotten loswerden. Sechs volle Säcke kommen zusammen und ich habe immer noch einen überquellenden Kleiderschrank. Viele Teile behalte ich, weil ich sie zumindest ein Mal tragen möchte, bevor ich sie weggebe.

September

Mein Mann und ich bekommen am Abend vor dem Umzug Bescheid, dass wir jetzt doch nicht in unsere neue Wohnung einziehen können – zumindest nicht vor November. Riesen Enttäuschung, Tränen, Panik … Durch ein großes Wunder und die Hilfe großartiger Freunde dürfen wir am darauffolgenden Tag in ein Haus im Westerwald ziehen. Da gibt es viel zu schleppen. Neben Möbeln und Bücher auch viele Klamotten. Besitz verpflichtet eben!

Oktober

Mein Vater heiratet und ich suche in den Umzugungskartons nach passender Kleidung. (Wir leben nämlich aus den „Koffern“ heraus, weil wir nur einen Monat in unserer Notunterkunft bleiben). Ich brauche über vier Stunden, um das ganze Outfit zusammenzustellen. Die Versuchung etwas Neues zu kaufen ist groß, aber Gott sei Dank kann man im Westerwald sowieso nicht wirklich shoppen gehen. Ähnlich schwierig gestaltet es sich, das Outfit für ein Jobinterview herauszufischen. Da wir doch noch am Ende des Monats die anvisierte Wohnung bekommen, heißt es nun wieder packen, packen, packen. Auch die nun überall im Haus auf dem Boden verstreuten Klamotten …

November

Immer noch ist circa 30 Prozent meiner Kleidung im Schrank ungetragen. Und daran wird sich bis Ende des Jahres auch nicht mehr viel ändern. Ich denke über „früher“ nach: Mit Anfang 20 habe ich ständig neue Klamotten gekauft. Ich wollte nicht zweimal im selben Outfit gesehen werden. Ich dachte nicht daran, dass man Geld vielleicht sparen oder für etwas Sinnvolleres ausgeben könnte. Fun fact: Beim Umzug geht eine Wandseite eines Kleiderschranks verloren. Wir können ihn nicht aufbauen. Nun hat die Kleidungsmenge aus fünf riesigen Müllsäcken leider keinen festen Platz. Oh boy, …

Dezember

Nach einem aufwendigen Bewerbungsprozess für einen Job bin ich erst mal auf der Warteliste gelandet. Enttäuscht gehe ich eine Einkaufsstraße entlang. Am liebsten würde ich sofort los shoppen. Ich weiß, dass das nicht der richtige Weg ist, mit Frust umzugehen. Ich wende mich im Gebet an Gott … Übrigens: Zu Weihnachten kriege ich hochwertigen Schmuck und haufenweise Kleidung geschenkt.

Mein Fazit

Ich habe durchgehalten! Ein ganzes Jahr lang habe ich mir weder Kleidung noch Schmuck gekauft. Und es ist mir nicht einmal besonders schwergefallen. Von meiner Kaufsucht von vor zehn Jahren merke ich überhaupt nichts mehr. Ich habe noch nicht einmal jetzt, wo alles vorbei ist, großartig Lust, einkaufen zu gehen. Aufgefallen ist mir währenddessen, dass kleine Dinge plötzlich unfassbar wichtig werden, wenn sie mal fehlen. Außerdem habe ich gelernt, dass bei mir Frust der Hauptauslöser für Konsumverhalten ist. In der restlichen Zeit komme ich sehr gut ohne Kaufen aus. Ich bin nun umso mehr davon überzeugt, dass ich mehr als nur genug habe und bin sehr dankbar dafür. Das, was ich habe, möchte ich noch mehr mit anderen teilen. Ach ja: Geld habe ich natürlich auch gespart.

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Body image

Iss doch mal was!

Skinny Shaming

Ein Plädoyer gegen das Skinny Shaming

Auf einer Sommer-Veranstaltung meines Arbeitgebers werden Snacks verteilt. Man kann sich zwischen einem Donut und einer gesünderen Variante entscheiden. Ich nehme Option Nr. 2. Ein rundlicher Ehrenamtlicher Anfang 50 kommentiert meine Wahl ungefragt: „Ein Donut täte dir auch mal ganz gut!“ Er grinst stolz und zufrieden über sein ganzes Gesicht. Ich sehe den Mann zum ersten Mal. Und er tut etwas, von dessen Existenz er wahrscheinlich noch nicht einmal weiß: Skinny Shaming.

Genervt denke ich: „Ja, ganz bestimmt täte mir diese Zuckerbombe ausgezeichnet. Ich freue mich schon riesig auf die gesundheitlichen Auswirkungen vom übermäßigen Zuckerkonsum: Pickel, Karies, tiefe Falten, Cellulitis, ein schwaches Immunsystem, Aggressionen, Diabetes Typ 2 … Einfach traumhaft!“ Ironie aus. Diese gesundheitlichen Aspekte hat mein „Kollege“ bei seinem „Ratschlag“ wohl nicht beachtet. (An dieser Stelle möchte ich es mit meinen Ausführungen nicht völlig übertreiben und damit anderen die Freude am Süßen nehmen …)

Worauf er hinaus wollte, war natürlich mein Körpergewicht. Ich bin zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt und wiege bei einer Körpergröße von 1,61 m ca. 48 kg. In den 13 Jahren davor variierte mein Gewicht nur leicht zwischen 47 und 52 kg. Eine Standpauke kann ich dem Typen aufgrund seiner wichtigen Funktion leider nicht halten! Ich weiß auch, dass er es eigentlich nicht böse meint. Aber was genau stört mich so an seinem Kommentar?

Es ist seine Übergriffigkeit gepaart mit Unwissenheit und Ignoranz. Jemand Fremdes etwas Ungesundes zu empfehlen, weil er/sie sehr schlank ist, macht einfach keinen Sinn! Doch das ist es noch nicht ganz: Mit seiner Aussage nimmt er sich das Recht, ungefragt über meinen Körper zu urteilen. Und sein Urteil kommt übersetzt so bei mir an: „Du bist einfach zu dünn! So wie du bist, genügst du nicht! “

Weder das erste noch das letzte Mal

Das war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass sich jemand das Recht herausgenommen hat, meinen Körper zu kommentieren und ihn dabei als zu dünn zu bewerten.

Fast jeder zierliche Mensch hat diese eine füllige Tante, die einen auf jedem Familienfest ständig darauf hinweist, wie dünn man ist; danach fragt, ob man überhaupt irgendetwas isst und einem mit Essen mästen will. Auch diese Tante meint es eigentlich gut. Was bei mir ankommt, ist aber wieder ein ungefragtes Urteil über meinen Körper: „Du bist zu dünn, um gesund zu sein! Du bist zu dünn, um schön zu sein!“

Bodyshaming: Fat- und Skinny shamInG

Stellen wir uns das Ganze mal andersherum vor: Ich hätte dem rundlichen Mitarbeiter empfohlen, auf den Donut zu verzichten. Oder ich würde bei jedem Familientreffen ständig das Übergewicht meiner Tante kommentieren und ihr dringend eine Diät empfehlen. Schließlich mache ich mir ja nur Sorgen um ihre Gesundheit und um ihr äußeres Erscheinungsbild. Wären die beiden dankbar für meinen Tipp und würden sie sich wertgeschätzt fühlen? Sicherlich nicht! Das wäre ein absolutes No-Go und käme Fatshaming sehr nah.

Zum Fatshaming gibt es in den (sozialen) Medien in den letzten Jahren eine Gegenbewegung –endlich! Frauen mit Kurven und in Plussize präsentieren sich stolz auf Instagram und werden dafür gelobt. Das ist auch gut so. Weibliche Runden sind schön und jede Frau sollte sich in ihrem Körper wohlfühlen dürfen. Doch an vielen Stellen geschieht diese Gegenbewegung zum Fatshaming auf Kosten von dünnen Menschen. Vielen scheint es einfach nicht klar zu sein, dass urteilende oder gar abwertende Kommentare gegenüber sehr schlanken Menschen genau wie das Fatshaming eine Art von Bodyshaming sind. Sie greifen an, sie verletzen.

Skinny Shaming hat sich tief in die Gesellschaft und die (sozialen) Medien eingebürgert. Dünne Menschen bekommen ständig Sprüche gedrückt: „Iss doch mal was! Du bist nur noch ein Strich in der Landschaft!“ Oder auch: „Du siehst aus wie ein Skelett“. Besonders schlimm finde ich diesen beliebten Spruch hier: „Richtige Männer stehen auf Kurven, nur Hunde spielen mit Knochen!” Also mein Mann kommt mir doch schon wie ein richtiger Mann vor und ich scheine ihm so zu gefallen, wie ich bin. Von Männern mal abgesehen: Sollte Frau ihren Körper nur dann schön finden dürfen, wenn es auch andere tun?

Ich will so bleiben wie ich will!

Ich habe es satt, mich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich es nicht nur mag, sehr schlank zu sein, sondern es auch noch bevorzuge, so schlank zu bleiben!

Der wichtigste Grund dafür ist, dass mein geringes Gewicht kein gesundheitliches Problem darstellt – im Gegenteil. Seit Jahren trinke ich keinen Alkohol, rauche nicht, schlafe ausreichend und versuche Stress zu vermeiden. Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung ist mir wichtig, gelingt jedoch nicht immer. Ich treibe täglich Sport: Tanzen oder Fitness. Zwischen zehn Minuten und drei Stunden am Tag. Mein Fokus liegt dabei auf meiner Fitness. Also auf Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination. Beim Tanzen natürlich auch auf der Kunst. Abnehmen war dagegen nie mein Ziel. Meine Figur ist also das Ergebnis eines schnellen Stoffwechsels und eines gesunden Lebensstils. Fazit: Mein leichtes Körpergewicht ist gesund für mich, für meinen Knochenbau.

Der zweite Grund fürs Schlank bleiben ist eben der, dass ich meine Schlankheit nicht als Makel ansehe, sondern sie sogar als sehr ästhetisch empfinde. Ist es denn verwerflich, den Körper, den man geschenkt bekommen hat, zu lieben und ihn nach bestem Wissen und Gewissen zu pflegen? Ich denke nicht. Das gilt sowohl für natürlich Kurvige als auch für natürlich schlank gebaute Menschen.

„Echte Frauen“ können dick oder dünn sein. Sie können so aussehen, wie sie eben aussehen (wollen). Wir haben nicht alle dieselben Vorstellungen darüber, wie unser Körper auszusehen hat und das ist auch gut so! Ich appelliere an Bodypositivity auf beiden Seiten! Der Fokus sollte stets auf der Gesundheit liegen.

Übrigens: Kein fettleibiger oder magersüchtiger Mensch wurde jemals aufgrund von Bodyshaming plötzlich gesund! Daher: Bitte einfach sein lassen!